


Am Sonntag ging ich veloelelen. Die durch Gravity organisierte Tour begann auf 4800m und fuehrte ueber 64km (davon 41km auf der offiziell gefaehrlichsten Strasse der Welt, gemessen an den Anzahl Toten pro Jahr und km) auf 1100m hinunter. Habe zwar ueber den teuersten Anbieter gebucht (75$), aber auf dieser Strecke zahlt sich dies definitiv aus:
1. waren mit unserem Material allen anderen Gruppen ueberlegen und konnten richtig Gas geben;
2. ist Gravity einer der Anbieter, welcher noch keinen Todesfall zu verzeichnen hat (ich traf am Abend eine Deutsche, die mir erzaehlte, dass sie vor einem halben Jahr fuer 35$ gebucht hatte, wobei ihr die Bremsen versagten, sie via Wand stoppen musste und bei derselben Tour drei Israeli ueber den Abhang gestuerzt waren (die Guides gingen sie nicht einmal suchen, sie haetten einfach ein Kreuz aufgestellt und seien weitergefahren)).
Zudem bekamen wir am Schluss noch ein schickes Shirt geschenkt (damit bin ich seit Beginn meiner Reise schon um fuenf Shirts reicher).
Die Abfahrt ueber die recht holprige Strecke war super, ab und zu kam man auch an einem Lastwagenwrack vorbei, was einem dann doch etwas einfuhr. Doch wenn man die wichtigste Regel verfolgt, kann einem (bei fehlerfreiem Material) eigentlich nichts passieren: Immer am Rand der bis zu 400m tiefen Schluchten fahren, da die aufwaerts fahrenden Fahrzeuge stets an der Bergseite verkehren. So gefaehrlich ist die Strecke eigentlich nicht, das Problem ist nur, dass die Leute, obwohl sie um die Gefahren wissen, wie Halbschuhe fahren...
Am Nachmittag wurden wir dann nach Coroica hoch chauffiert, wo wir uns in einem Hotel am Buffet laben konnten, bevor es um 17.00 Uhr ueber die gefahrene Strecke wieder zurueck nach La Paz ging.
Pro Jahr verungluecken etwa 40 Fahrzeuge auf der Strecke, meist Lastwagen oder Reisebusse, sodass pro Jahr einige hundert Menschen ihr Leben lassen, und an diesem Tag kamen etwa 40 dazu. Um 16.00 Uhr stuerzte ein mit 47 Leuten besetzter Bus die Boeschung hinab. Die Strecke wurde gesperrt, wir mussten warten und gingen zum Abschnitt hinauf, wo der Unfall geschah. Was wir dort sahen, war ein Bild des Grauens: Nicht primaer aufgrund der Opfer (der Bus lag weit unten in Hang, man konnte ihn nicht sehen), sondern was die Organisation anbelangt: Die war praktisch nicht vorhanden. Die Opfer wurden einzeln mittels Seilen, eingewickelt in eine Decke, von den anwesenden Personen nach oben gezogen, in Abstaenden von 15min oder mehr. Der erste Rettungswagen vor Ort hatte weder Wasser noch Licht dabei (!), alles musste bei den wartenden Fahrzeugen angefragt werden. Auch eine Barre war nicht vorhanden, Gravity, der Organisator unserer Mountainbiketour, lieh seine aus, und einer der Guides desselben Unternehmens versuchte die Rettung zu koordinieren. Ein Arzt war vor Ort, ein zweiter verschwand ploetzlich, sonst schien es keine Fachkraefte gegeben zu haben...
Eine aeltere Frau wurde auf die Ladeflaeche eines Pickups geladen, und da noch Platz fuer eine zweite Person bestand (es mangelte hinten und vorne an Fahrzeugen zum Abtransport), wartete man einfach und liess die Frau ohne weitere medizinische Versorgung sterben. Endlich tauchte dann ein weiteres Ambulanzfahrzeug auf, doch das einzige, was daran mit Ambulanz zu tun hatte, war die Aufschrift (dafuer, potzblitz, in Spiegelschrift): Im Inneren gab es eine Liege und eine Decke, sonst nichts!
Ich dachte ich spinne: Praktisch jede Woche geschieht ein solches Unglueck, doch die "Rettungswagen" sind ncht mit dem geringsten Notwendigen ausgeruestet, kein Einsatzplan oder Routineprozedere existiert, beim naechsten Unfall wird es wieder genau gleich aussehen, diese verdammten Idioten lernen nichts daraus. (Fuer die Deutsche war es bereits der vierte Unfall, den sie vor Ort erlebte, und jedesmal sei es das Gleiche). Auch von La Paz aus (ca. 2h entfernt) kam keine Hilfe. Bolivien ist teilweise halt schon eine Bananenrepublik.
Es gab recht viele Zuschauer, aber um kein schlechtes Gewissen zu kriegen und als Gaffer zu gelten, hielten sich (zu)viele ebenfalls an den Zugseilen fest und zogen oder gaben nach, voellig ueberfluessig. Ich tat erst gar nicht so und beschraenkte mich aufs Zuschauen aus der Distanz.
Um 22.00 Uhr waren dann alle, die noch Lebenszeichen von sich gegeben hatten (man sprach von 16, viele starben aber spaeter), mehr schlecht als recht abtransportiert, und die Strasse wurde wieder freigegeben. Um 24.00 Uhr war ich zurueck im Hotel.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen