Natur
Die Natur Boliviens ist sehr facettenreich und recht faszinierend: Berge, verschiedene Wuesten, Dschungel, Steppen, Seen, und dies verteilt sich ueber mehrere tausend Hoehenmeter; alles, was des Naturfreundes Herz begehrt, wirklich schoen. (Andererseits, welche naturbelassene Landschaft ist nicht schoen...?)
Vermoegenslage
Irgendwie scheint es, als ob alles, was in der industrialisierten Welt keine Verwendung mehr findet, nach Bolivien geschafft wird. Hiermit meine ich v.a. Fahrzeuge (es gibt praktisch ausschliesslich nur japanische Autos und darunter hauptsaechlich Toyotas bzw. Toyosas) und elektronische Geraete. In den Autoheftli sind in den Berichten ueber Neuwagen die Preise gar nicht angegeben, ich nehme an einerseits, weil es fuer den durchschnittlichen Bolivianer eh illusorisch ist, sich ein neues Auto leisten zu koennen, andererseits, weil man die Bevoelkerung davor bewahren will zu erfahren, ueber welche Kaufkraft Einwohner anderer Laender verfuegen.
Ich haette nicht geglaubt, auf so viele Bettler und Leute, die irgendwelchen Kram zu verkaufen versuchen, zu treffen. Auch die arbeitende Mehrheit ist nicht auf Rosen gebettet: Meine Spanischlehrerin beispielsweise ist noch nie aus der Umgebung Sucre rausgekommen, ein Auslandaufenthalt scheint sowieso kaum erschwinglich.
Und die ueberwiegende Mehrheit wohnt in einfachen Huetten ohne fliessendes Wasser. Da wird einem bewusst, dass es dem groessten Teil der Weltbevoelkerung nicht anders geht.
Tiefes Lohnniveau heisst normalerweise tiefes Preisniveau oder vice versa, soviel zum VWL-Einmaleins. Man kann in den bisherigen Beitraegen schon einige Beispiele finden. 4 Stunden Busfahrt, 1.50 CHF; Coiffeurbesuch, 2.50 CHF; Essen mit Poulet, Reis, Pommes Frites und Cola 1.10 CHF (na gut, hat nicht wirklich geschmeckt)... Man muss nicht wirklich aus Europa kommen, um sich Ferien in Bolivien leisten zu koennen.
Ich habe auch nicht wirklich Anzeichen eines Aufschwungs entdeckt, das einzige, was das Land meiner dreiwoechigen Erfahrung nach exportiert, sind nach wie vor Tourismus und Wollsachen. Und mit dem Praesidenten Evo Morales, einem dem Sozialismus zugewandten Bauernjungen aus der Pampa, der immer seinen daemlichen Glueckspulli traegt, wird es wohl eher in die entgegengesetzte Richtung gehen, aber wir werden sehen...
Sauberkeit
Bolivien ist sehr dreckig: Die Leute lassen einfach allen Abfall liegen oder schmeissen ihn zum Fenster raus. Ob Stadt, Doerfer, Ueberlandstrasse, historische Staetten, alles ist voll Plastikabfall, die scheren sich einen Deut drum. Gepisst wird wo es einem grad gefaellt, kurzes Rockheben und entleeren auf das Trottoir im Marktgebiet scheint auch nicht aussergewoehnlich zu sein. Zudem riechen die Leute selber (wohl bedingt durch ihre Wohnsituation) auch nicht gerade nach Veilchen. Aber ich denke, das war vor ein paar hundert Jahren in Europa auch nicht viel anders.
Freundlichkeit
Bis auf wenige Ausnahmen sind die Leute freundlich, hilfsbereit und geben gerne Auskunft, auch wenn sie gar keine Ahnung haben.
Natuerlich gibt es auch einige, welche dich zu bescheissen versuchen, auch wenn sie von dir leben.
Mode
Das aestethische Empfinden scheint teilweise gegen null zu tendieren, beispielsweise was Fernsehwerbung (z.T. wunderbar schlecht, erinnert an Haushaltsartikelwerbung aus den 60ern) oder Autotuning (Gruesse aus dem Balkan) anbelangt. Alles aus dem Westen ist recht in, was sich auch in offensichtlichen Buseigenproduktionen wiederspiegelt, auf welche einfach noch ein Mercedes- oder Volvozeichen draufgeschraubt ist. Zudem sind hier schoene Pilzfrisuren ziemlich angesagt...
Intellekt
Sagen wir es mal so: Der Aktionsradius des durchschnittlichen bolivianischen Gehirns haelt sich stark in Grenzen. Wie die Beispiele der Rettungsorganisation nach dem Unfall auf der Death Road (so wird "World's Most Dangerous Road" eigentlich hauptsaechlich genannt) (siehe Beitrag WMDR) und meiner verspaeteten Hotelankunft in Uyuni (siehe Beitrag Potosi - Uyuni) zeigen, ziehen die Bolivianer nicht in Betracht, was gewesen ist und was in der Zukunft sein koennte, sie leben ganz einfach im Hier und Jetzt und machen sich keine weitere Gedanken.
In den Minen arbeiten sie noch genau gleich wie vor Hunderten von Jahren, ohne Grundlegendes zu veraendern, wobei fuer einen Aussenstehenden bei erster Betrachtung klar wird, dass etliche einfache Verbesserungen vorgenommen werden koennten: Statt beispielsweise das Gestein direkt von den Schienenwagen in die Kuebel zu leeren, leeren sie es zuerst auf den Boden aus, um es danach muehsam in die Kuebel zu schaufeln. Ich wuerde es auch nicht glauben, wenn ich es nicht selber gesehen haette.
Auch scheint es an kombinatorischem Denken und Einfuehlvermoegen zu fehlen: Wenn man jemanden zu verstehen gibt, dass man ihn nicht verstanden hat, sagt er das genau Gleiche wieder, ohne Aenderung der Wortwahl oder Geschwindigkeit. Wenn man ihn danach nach dem Sinn eines Wortes fragt, ist er nicht imstande, dieses zu Umschreiben, er wiederholt es einfach wieder. In einem Restaurant wollte ich Huehnchen bestellen, habe aber statt 'Poio' 'Polo' gesagt, der hat auch nach erwaehnen des obersten Punktes auf der Menuekarte nicht begriffen, was ich will. Ein Beispiel, welches ich nicht selbst erlebt, aber aus verlaesslicher Quelle gehoert habe: Bestellt man zwei Drinks der gleichen Sorte, wird zuerst der eine, dann der andere gemixt, nacheinander, nicht gleichzeitig.
Natuerlich darf man nicht verallgemeineren, hoere ich viele mit erhobenem Zeigfinger sagen, aber diese und viele weitere Beispiele durchs Band weg stimmen einem schon etwas nachdenklich. Kein Wunder geht es mit dem Land nicht vorwaerts, bei so innovationsfeindlichem Klima und eindimensionalem Denken. Aber ich denke, es ist eine Frage der Zeit und somit Entwicklung, bis sich auch dieser Umstand bessert.
Zum Schluss noch eine kleine Anekdote: Als ich mit einem Taxifahrer in La Paz plauderte, fragte er mich, ob es in der Schweiz ganz allgemein denn anders sei als in Bolivien. Freundlich wie ich bin, drueckte ich mich um eine offene Antwort und sagte, dass die Kultur halt ein wenig anders und das Klima kaelter sei. Und anluegen ('Nein, ist genau gleich, ich beispielsweise wohne in einer 10 qm Lehmhuette, erledige mein Geschaeft in einem Loch im Schafstall und verkaufe tagsueber auf der Strasse Nuesse (Aerdnoessli! Froeschi Aerdnoessli!)') ist auch nicht die feine Art.
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